Familie und Kinder

Thema Häusliche Gewalt in Zeiten der Pandemie

Der Bericht der WHO

Alleine im Vereinigten Königreich wurden in den ersten drei Wochen der in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängten Ausgangssperre 14 Frauen und 2 Kinder ermordet. Dies sind die höchsten Zahlen in 11 Jahren. Zahl der Anrufe bei Childline, einer von der National Society for the Prevention of Cruelty to Children (Nationale Gesellschaft für die Prävention von Kindesmisshandlung) betriebenen Notrufnummer, von Kindern, die über körperliche oder psychische Gewalt berichten, ist um 36% bzw. 31% gestiegen.

Die Corona-Pandemie hat uns alle in ein Krisenszenario versetzt. Ausgangsperren und Kontaktbegrenzungen regeln nach wie vor vielerorts den Alltag. Teils drohen Arbeitslosigkeit, Armut, Hunger, politische Unruhen. Weltweit haben sich die Menschen zum Schutz vor dem Virus ins Private zurückgezogen. Einige sind dort nicht sicher: Frauen und Kinder, die häusliche Gewalt erleben.

Häuslich Gewalt im Zusammenhang mit COVID-19
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Die sogenannte häusliche oder familiäre Gewalt umfasst vor allem sexualisierte, körperliche und psychische Gewalt, die durch nahestehende Menschen ausgeübt wird, die im gleichen Haushalt leben. In der Regel sind Männer die Täter.

Nimmt häusliche Gewalt in Corona-Zeiten tatsächlich zu?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht klare Indizien dafür, dass die Fälle familiärer Gewalt während der Corona-Krise sprunghaft angestiegen sind. Berichte aus China, Großbritannien, den USA, Deutschland und anderen Ländern bestätigten dies und dokumentieren einen Anstieg gemeldeter Fälle zwischen 10 und 50 Prozent. Bereits ohne die weltweite Corona-Pandemie war laut Zahlen aus 2017 weltweit mindestens jede dritte Frau von Gewalt durch ihren Partner bedroht. Knapp 40 Prozent aller Mordfälle an Frauen werden durch ihre (ehemaligen) Partner begangen. Laut UNICEF erleben jedes Jahr mindestens 275 Millionen Kinder im familiären Umfeld körperliche, psychische, sexualisierte oder andere Formen von Gewalt.

Es ist darüber hinaus von einer enormen Dunkelziffer auszugehen. Einer der Gründe für viele ungemeldete Fälle während der aktuellen Pandemie ist, dass die Frauen und Kinder durch die Ausgangssperren seitens der Täter verstärkt kontrolliert werden können. Deshalb ist die Kontaktaufnahme mit Frauenberatungsstellen, Frauenhäusern, ÄrztInnen und der Polizei stark eingeschränkt. Viele Beratungsstellen versuchen, neben Hotlines nun verstärkt etwas weniger „auffällige“ Kontaktmöglichkeiten über Chats und Messenger zu ergänzen. Darüber hinaus fehlt in Corona-Zeiten die soziale Kontrolle durch andere. Zum Beispiel durch ArbeitskollegInnen oder ErzieherInnen in der Kinderbetreuung, die auf die Folgen von Gewalt aufmerksam werden und reagieren könnten.

Vielen Menschen, die ins staatlich verordnete Homeoffice versetzt werden, sind enormen Druck ausgesetzt und werden dabei meistens komplett alleine gelassen. Parallel ein Kind und einen Job zu Managen, kann zu einer Mammut Aufgabe avancieren.

Kinder, gerade wenn sie noch kleiner sind, wollen natürlich beschäftigt werden. Ihnen fehlen die Freunde, sozialen Kontakte und Betreuungsmöglichkeiten durch Kita, Schule und Co. Sie verstehen in den meisten Fällen gar nicht was gerade passiert und sehen das Verbot die Freunde zu sehen als eine Art von Bestrafung. Die psychische Belastung durch die Situation und denn Stress, der durch die Isolation hervorgerufen wird ist ein Multiplikator für die Belastung der Eltern, die die Psyche der Kinder auffangen müssen und dabei die sozialen Interaktionen und Beschäftigung der Kinder umsetzen sollten. Gerade bei Kindern ist die soziale Kompetenz etwas, das durch den Kontakt mit anderen erst gefördert und erarbeitet wird. Der Erwachsene hat in dieser Zeit somit mehr wie 2 Jobs gleichzeitig. Er muss weiterhin sein Arbeitssoll erfüllen, muss Spielkamerad, Pädagoge und Eltern sein. Leider für das, wie die Statistiken belegen, bei manchen betroffenen zu Überlastung, Frustration, Überreizung und in manchen Fällen leider zu Gewalt.

Homeoffice und Co

Ob Homeoffice oder Kurzarbeit der Psychische Druck ist Groß und die Hilfen begrenzt. Staatliche Maßnahmen gerade bei der Unterstützung von Familien wären ein Schlüssel und nötiger Ansatz. Viele Eltern verfügen nicht über Großeltern oder Freunde auf die sie bei der Betreuung zurückgreifen können. Auch die Existenzangst kann ein Faktor werden, weshalb gerade Männer unter enormen Druck geraten. Steigende Insolvenzzahlen, Kündigungswellen sowie ausbleibende Finanzhilfen befeuern diese Angst.

Warum steigt häusliche Gewalt in Krisenzeiten an?

Das Krisensituationen zwischenmenschliche Gewalt fördern können ist allgemein bekannt. In vielen Situationen werden gewalttätige Vorkommnisse nicht überlegt oder gar geplant herbeigeführt. Es kommt zu einer Eskalation, weil sich jemand in einer psychischen Ausnahmesituation befindet – zum Beispiel, weil er oder sie sich nicht angemessen behandelt fühlt oder sich nicht anders zu helfen weiß. In der Regel sind die Folgen nicht ge- wollt, die aggressive Person fühlt sich herausgefordert oder sie befindet sich gerade in einer inneren Notsituation. In anderen Situationen wollen sich aggressive Personen tatsächlich abreagieren, indem sie andere verletzen oder demütigen.

Sind Menschen existenziell bedroht von Armut, Krankheit, Terror, Vertreibung, politischer Instabilität, Krieg und Gewalt, wird auch mehr sexualisierte Gewalt und Gewalt in den Familien ausgeübt. Das heißt jedoch nicht, dass in Friedenszeiten Gewalt gegen Frauen und Kinder nur in Ausnahmefällen existiert. Sexualisierte Gewalt steht gesellschaftlich gesehen in engem Zusammenhang mit patriarchalen Geschlechterrollen und Einstellungen, die eine Privilegierung des Mannes akzeptieren und damit beispielsweise Alltagssexismus, Diskriminierung von Frauen und die Gewaltanwendung gegen sie tolerieren. Diese Gewalt von Männern gegen Frauen und Kinder ist weltweit verbreitet und ist eine der häufigsten Menschenrechtsverletzungen. Da die Machtposition und der soziale Status des Mannes durch die Krise erschüttert wird, setzen die Täter unter ihnen Gewalt vermehrt als Mittel des Machterhalts ein.

„Eine Krisensituation ist nur eine Art Verstärker. Die Krise intensiviert Missstände. Manchmal bringt sie diese erst an die Oberfläche.“

Die gute Nachricht: Jeder einzelne Mensch kann etwas tun. Beispielsweise durch gelebte Null-Toleranz gegenüber Gewalt und Sexismus im Alltag. 

Ein großen Faktor stellt außerdem der Lockdown dar. Ämter und Behörden sind schwieriger zu erreichen und nicht mehr frei zugänglich. Alleine in Deutschland fehlen zudem bundesweit mindestens 14.000 Frauenhausplätze. Gerade im Verlauf der Pandemie COVID 19 ist dies ein Großes Problem, dass auch zu vermeidbaren Femiziden führen kann.

Jemand ist von familiärer Gewalt betroffen. Was kann ich tun?

Vermuten Sie, dass jemand in Ihrem Bekanntenkreis zuhause Gewalt erlebt? Oder sind Sie selbst betroffen? In beiden Fällen finden Sie zum Beispiel beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ sicheren, anonymen und kostenlosen Rat – rund um die Uhr und in vielen verschiedenen Sprachen: 08000 116 016. Sie würden lieber nur per Chat Kontakt aufnehmen? Auch das ist auf der Website des Hilfetelefons möglich! Beratungsstellen stehen Ihnen mit viel Praxiserfahrung zur Seite und Frauenhäuser bieten Schutz vor akuter Bedrohung.

Von Gewalt betroffene Frauen und Kinder sind in den kontaktarmen Corona-Zeiten besonders auf die Unterstützung durch Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld angewiesen. Gewaltbetroffene brauchen unsere solidarische Verbundenheit. Wollen Sie unterstützend zur Seite stehen, können Sie durch übliche nachbarschaftliche Gesten Ihre menschliche Zugewandtheit zum Ausdruck bringen und sich als vertrauensvolle Kontaktperson anbieten. Lassen Sie sich im Einzelnen von Expertinnen dabei beraten, was Sie tun können, um Sicherheit herzustellen ohne sich selbst in eine Gefahrensituation zu bringen. Eine Liste mit Hilfsorganisationen und Angeboten.

Das Problem mit der Häuslichen Gewalt ist leider gestiegen und muss generell bekämpft werden. Gewalt gegenüber Frauen und Kindern und auch Männern ist ein Phänomen dem generell keine Akzeptanz und Berechtigung zugesprochen werden darf.

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